Schon wieder Wochenende. Die Zeit rast gefühlt so dahin und es passiert so unglaublich viel in kurzer Zeit. Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt ich könnte mein Leben lieben, ich hätte ihm den Vogel gezeigt.
Letztes Jahr um diese Zeit war alles schwarz. Auch da raste die Zeit, aber es ist als wäre alles was da passierte hinter einem Nebel aus stiller Trauer verborgen. Das Gefühl es wäre egal was ich tat, ich bekam nichts davon mit und wollte nur Tag für Tag irgendwie hinter mich bringen. Musik, die ich ein halbes Jahr zuvor noch gern gehört hatte, ertrug ich nicht. Sie erinnerte mich schmerzhaft an meine Freundin.
Ich fuhr noch zum CCC Kongress, aber der Gedanke sie hätte dort sein sollen machte mich innerlich kaputt. Ich dachte, ich könnte nie wieder Freude empfinden, geschweige denn glücklich sein.
Jetzt habe ich mich nicht nur aus diesem Loch gekämpft, ich lebe von Tag zu Tag mehr.
Ich weiß gar nicht mehr, was der Auslöser war. Eine Bekannte sagte bring dir die Liebe entgegen, die du ihr entgegengebracht hast. Damals konnte ich nichts damit anfangen. Jetzt ergibt alles Sinn.
So schwer diese Zeit auch war, ich bin dankbar für diesen großen Knall.
Im Februar fing ich an zu meditieren, das wollte ich schon seit Jahren machen. Erst sehr unregelmäßig, mittlerweile fast täglich.
Ich habe Ratgeber zum Thema Persönlichkeitsentwicklung verschlungen und mich immer mehr ausprobiert. Immer nur das mitgenommen, was sich für mich stimmig anfühlte. Es musste erst schlimmer werden, damit es besser werden kann. Immer noch spreche ich viele meiner Erkenntnisse nicht aus. Ich habe viele angeblich erleuchtete erlebt die Dinge erzählt haben, ohne sie wirklich zu fühlen. Erkenntnis allein reicht eben nicht.
Langsam ordnet sich alles neu, was nicht der Liebe entspringt fliegt gnadenlos raus. Ich habe schon Freundschaften aufgegeben, sogar meine Beziehung auf den Prüfstand gestellt und ich bin noch lange nicht fertig mit mir. Ich lerne mich selbst kennen, als hätte ich jemand Neues an meiner Seite. Bin das wirklich ich, die diese Worte gerade schreibt? Ist das dieselbe Person, die im Mai noch weder ein noch aus wusste? Die dachte ihr Leben sei vorbei und sich an jede noch so kleine Hoffnung geklammert hat?
Ich lasse die Vorstellung wie mein Leben zu sein hat los und lasse mich einfach auf das ein was durch mich in die Welt will. Das zu schreiben fühlt sich gleichzeitig ungewohnt und richtig an.
Ich will immer noch am liebsten programmieren, aber es ist kein Weltuntergang mehr, dass ich im Januar erstmal Bewerbungstraining mache.
Die Angst in ALG2 zu rutschen ist immer noch da, aber sie beherrscht mich nicht mehr so sehr.
Ich dachte so viele Jahre, ich müsste etwas großes leisten. Ich weiß jetzt, dass ich eher leise bin und im Hintergrund arbeite. Ich muss keine großen Reden schwingen und irgendwen von irgendwas überzeugen.
Die Lieder, die ich vor einem Jahr nicht mehr ertragen habe, lassen mich nur noch ein wenig wehmütig werden.
Gestern sagte mir ein Freund ich hätte ihn mit meiner Entscheidung dieses Jahr allein Weihnachten zu feiern angesteckt. Ich kann das immer noch nicht so ganz glauben, dass ich für ihn eine Vorbildfunktion eingenommen habe. Ich und ein Vorbild für irgendwen? Es sind so kleine Dinge, die mich mit Stolz erfüllen. Es zeigt mir, dass ich mir diese Veränderung nicht einbilde.
Gerade bin ich etwas sprachlos, weil sich immer mehr einfach zum Guten wendet. Da bin ich wirklich gespannt auf 2020. Es ist als bekäme ich allein durch meine innere Veränderung ein ganz neues Leben.
Es heißt ja, wenn sich die eine Tür schließt gehen woanders neue auf.
Als ich selbst mit dem Ende des Arbeitsvertrages beim HR eine Tür schloss wollte ich unbedingt durch die Wand weiter, so kommt es mir vor. Am besten noch mit der Brechstange. Nein, so geht das nicht.
Gerade kommt diese Stimme, die sagt „das kannst du doch nicht veröffentlichen“ wieder, aber ich werde es trotzdem tun. Ernsthaft, wann hatte diese kritische und ängstliche Stimme in mir das letzte Mal recht? Mir kann nichts passieren. Ich habe Menschen um mich die mich auffangen wenn ich das Gefühl habe zu fallen. Ich bin nicht allein. Mittlerweile kann ich auch mich selbst mit meiner Liebe wieder auffangen. Ich bin nicht mehr hilflos ausgeliefert. Es wird der Tag kommen, an dem das auch der noch verletzte Teil in mir merkt.
Ich weiß, dass es keinen allgemeingültigen Weg gibt, darum bin ich froh, meinen gefunden zu haben. Es wird immer mal Zweifel geben, aber ich lasse mich davon immer weniger beeinflußen.